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KAPITEL II: DURCHFÜHRUNG DER ENTZUGSTHERAPIE VON
BENZODIAZEPINEN NACH LANG DAUERNDEM GEBRAUCH
BENZODIAZEPINE: WIRKUNGSWEISE UND
THERAPEUTISCHER ENTZUG
(Das Ashton Handbuch) PROTOKOLL FÜR DIE DURCHFÜHRUNG DER ENTWÖHNUNG VON BENZODIAZEPIN-ABHÄNGIGKEIT
Medizinisch-wissenschaftliche Information aus einer Benzodiazepin-Entzugs-KlinikProfessor C Heather Ashton DM, FRCP
Überarbeitete Fassung August 2002
Ashton Handbuch Index-Seite
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel I: Die Wirkungsweise von Benzodiazepinen
Kapitel II: Durchführung der Entwöhnungsstherapie von Benzodiazepinen nach lang dauerndem Gebrauch
Kapitel II: Langsame Entwöhnungsschemata
Kapitel III: Benzodiazepin-Entzugssymptome, akute & protrahierte
KAPITEL II
DURCHFÜHRUNG DER ENTWÖHNUNGSTHERAPIE VON BENZODIAZEPINEN
NACH LANG ANDAUERNDEM GEBRAUCHWarum sollte die Benzodiazepin-Einnahme beendet werden?
Vor Beginn einer Benzodiazepin-Entwöhnung
Konsultieren Sie Ihren Arzt und Apotheker
Vergewissern Sie sich, dass Sie adäquate psychotherapeutische Unterstützung erhalten
Stellen Sie sich selbst mental auf die Entwöhnung ein
Haben Sie Selbstvertrauen
Haben Sie Geduld
Wählen Sie gegebenenfalls Ihren eigenen Weg
Die Entwöhnung/der Entzug
Dosis-Reduktion
Umstellung auf ein lang wirksames Benzodiazepin
Planung und Einhalten eines Entwöhnungsschemas
Entwöhnung bei älteren Menschen
Entwöhnung von antidepressiv wirkenden Medikamenten
HINTERGRUND
Zum Beginn meiner Leitung der Benzodiazepin-Entwöhnungs-/ Entzugs-klinik im Jahr 1982 hatte noch niemand nennenswerte Erfahrung mit der Entwöhnung von lang andauernder Benzodiazepin-Einnahme. Wie bereits in Kapitel I erklärt, war es der ausdrückliche Wunsch von Patienten selbst, Hilfe und Rat bei der Entwöhnung von Benzodiazepinen zu erhalten. So begannen wir gemeinsam den Weg zu beschreiten. Zu Beginn war der Entzugsprozess häufig ein „Trial“ und „Error“-Verfahren, jedoch durch diese Erfahrungen konnten sich allgemeine Prinzipien , die für die meisten Patienten Gültigkeit haben, entwickeln. Die grundsätzlichen Richtlinien, abgeleitet von 300 Patienten, die die Klinik bis 1994 aufgesucht hatten, wurden während der folgenden Jahre von 100en weitereren Benzodiazepin-Abhängigen bestätigt, mit denen ich durch meine Aktivitäten mit Tranquillizer-Support-Gruppen in Großbritannien und in anderen Ländern Verbindung hatte sowie durch persönliche individuelle Kontakte.
Es wurde bald deutlich, dass die Erfahrungen während des Entzuges bei jeder Person individuell gestaltet waren. Obwohl viele ähnliche Symptome auftraten, entwickelte jeder/jede Person ein individuelles Muster von Entzugserscheinungen. Diese unterscheiden sich in ihrer Art , in der Qualität, der Schwere, dem Verlauf, der Dauer und in vielen weitern Eigenschaften. Diese Vielfalt ist nicht überraschend, da der Verlauf einer Entwöhnung/eines Entzugs von vielen Faktoren abhängt: von der Dosis, vom Typ des Benzodiazepins, von der Wirkpotenz, von der Wirkungsdauer, von der ursprünglichen Indikation der Verordnung und der individuellen Vulnerabilität der Patienten, von seinem oder ihrem Lebensstil, von den persönlichen Stressfaktoren und früheren Erfahrungen, der Entwöhnungsrate und schließlich vom Umfang der Unterstützung, die während des Entwöhnungs- / Entzugsprozesses verfügbar ist (um nur einige zu nennen). Aus diesen Gründen sind die folgenden Empfehlungen lediglich als generelle Richtlinien zu betrachten. Jeder Betroffene muss schließlich selbst die Details seines eigenen Weges finden. Diese Richtlinien basieren jedoch auf erfolgreichen Entwöhnungserfahrungen einer großen Gruppe von Männern und Frauen zwischen 18 und 80 Jahren, mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund, unterschiedlichen Berufen, Medikamentenhistorie und ihrer Entwöhnung davon. Die Erfolgsrate war hoch (über 90 %), und diejenigen, die die Entwöhnung hinter sich gebracht hatten, fühlten sich selbst nach Einnahmedauer der Benzodiazepine von mehr als 20 Jahren besser, sowohl physisch als auch psychisch.
Folglich gibt es für diejenigen, die mit der Benzodiazepin-Entwöhnung beginnen wollen, viele Vorgänger, die ihnen bescheinigen werden, dass dann, wenn der Wunsch, sich von der Abhängigkeit zu befreien, wirklich da ist, diese auch in aller Regel gelingt. Man sollte jedoch nicht überrascht sein, wenn die Entzugssymptome (oder ihre Abwesenheit), sich von denen bei anderen Personen, die sich einer Entwöhnung unterziehen, unterscheiden.
WARUM SOLLTE DIE BENZODIAZEPIN-EINNAHME BEENDET WERDEN?
Wie bereits in Kapitel I beschrieben, kann die lang anhaltende Einnahme von Benzodiazepinen unerwünschte und gefährliche Wirkungen haben. Dies schließt Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen ein, emotionale Abstumpfung, Depression, Angstzustände, physische Symptome und schließlich Abhängigkeit. Sämtliche Benzodiazepine und verwandte Substanzen können diese Effekte entwickeln, gleichgültig ob sie als Schlafmittel oder als angstlösende Medikamente verwendet werden. Die sozialen und wirtschaftlich-ökonmischen Konsequenzen chronischer Benzodiazepin-Einnahme sind in Tabelle 3 (Kapitel I) aufgelistet.
Weiterhin ist damit zu rechnen, dass nach längerem Gebrauch häufig schon nach wenigen Wochen oder Monaten Benzodiazepine in ihrer Wirkung nachlassen, d.h. es kommt zur Entwicklung von Toleranz (siehe S.8). Durch die Toleranz-Entwicklung können „Entzugs“symptome bereits auftreten, obwohl die Substanz kontinuierlich und regelmäßig weiter eingenommen wird. Folglich sind die Symptome, unter denen viele Langzeit-Anwender von Benzodiazepinen leiden, häufig eine Mischung aus Nebenwirkungen der Substanz und des „Entzuges“ infolge von Toleranz. Das „Committee on Safety of Medicines and the Royal College of Psychiatrists” in Großbritannien äußerte sich daher in zwei Statements (1988 und 1992), dass Benzodiazepine nicht für lang dauernde Anwendung geeignet sind und dass sie in aller Regel nicht länger als für 2-4 Wochen verordnet werden sollen.
IAußerdem zeigt die klinische Erfahrung, dass die meisten Patienten sich nach der Entwöhnung von ihrer Langzeit-Benzodiazepin-Einnahme sich wesentlich besser fühlten. Viele Patienten haben geäußert, dass sie erst nach Beendigung der Benzodiazepin-Einnahme bemerkten, dass sie in den vielen Jahren der Anwendung unterhalb ihrer Fähigkeiten gelebt hatten also nicht auf der Höhe waren. Es war, als hätte sich ein Vorhang oder Schleier vor ihren Augen gehoben: langsam, manchmal auch plötzlich, Farben wurden leuchtender, das Gras grüner, der Verstand klarer, Ängste verschwanden, die Stimmung hob sich und die physische Kraft normalisierte sich.
Somit ist festzuhalten, dass es sehr viele gute Gründe gibt, die Langzeit-Einnahme von Benzodiazepinen zu beenden, wenn die Betroffenen mit dieser Medikation nicht zufrieden sind. Viele Menschen fürchten sich vor dem Entzug. Zahlreiche Berichte von “durch die Hölle gehen” sind jedoch häufig übertrieben. Mit suffizienten, schrittweisen und individualisierten „Tapering“ Schemata (Dosisreduktionsschemata) wie sie im Folgenden beschrieben werden, kann die Entwöhnung durchaus tolerabel sein, manchmal sogar einfach, vor allem dann, wenn der/die Betroffene die Ursachen und die Natur der Symptome, die auftreten, versteht und demzufolge nicht fürchtet. Viele Entzugssymptome sind einfach das Resultat von der Angst vor dem Entzug (oder Angst vor der Angst!). Diejenigen mit schlechten Erfahrungen wurden meist einem zu raschen Entwöhnungs- /Entzugsprotokoll unterworfen (nicht selten auf Veranlassung ihrer Ärzte!) und ohne ausreichende Aufklärung über die auftretenden Symptome. Im Gegensatz dazu gibt es Menschen, die die Benzodiazepin-Einnahme beenden können, ohne überhaupt Entzugssymptome zu entwickeln. Entsprechend der Meinung einiger Experten kann das bei bis zu 50 % der Betroffenen der Fall sein, selbst nach Jahren chronischer Anwendung. Selbst wenn diese Zahl korrekt sein sollte (was diskutiert wird), ist es nicht ratsam die Einnahme von Benzodiazepinen abrupt zu beenden.
Die Vorteile der Beendigung einer Langzeit-Benzodiazepin-Einnahme bedeuten allerdings nicht in jedem Fall, dass sich jeder Anwender einem Entwöhnungsprozess unterwerfen sollte. Niemand sollte diesbezüglich gezwungen oder gegen seinen eigenen Willen bedrängt werden. Tatsächlich misslingt der Entwöhnungsprozess häufig bei Menschen, die gegen ihren Willen zu einer Entwöhnungsprozedur zugeführt werden. Im Gegensatz dazu sind Chancen auf Erfolg bei denen, die wirklich motiviert sind, sehr gut. Wie bereits erwähnt, ist fast jeder, der wirklich den Wunsch hat, die Benzodiazepin-Einnahme zu beenden, dazu in der Lage.
VOR BEGINN EINER BENZODIAZEPIN-ENTWÖHNUNG
Wenn Sie sich zu einer Benzodiazepin-Entwöhnung entschieden haben, sind zunächst folgende Schritte notwendig.
1) Konsultieren Sie Ihren Arzt. Ihr Arzt sollte an der Entscheidung, ob es richtig ist, bei Ihnen die Benzodiazepin-Einnahme zu beenden, beteiligt sein, denn in einer geringen Zahl von Individuen ist ein Entzug nicht zu empfehlen. Verschiedene Ärzte, insbesondere in den Vereinigten Staaten, sind der Auffassung, dass die Langzeit-Anwendung von Benzodiazepinen für Angsterkrankungen, Panikstörungen, Phobien, sowie bei einigen psychischen Zuständen indiziert ist. Die Meinungen darüber sind jedoch kontrovers und selbst dann, wenn ein kompletter Entzug nicht empfehlenswert sein sollte, könnte es von Vorteil sein, die Dosis zu reduzieren oder intermittierend eine Pause der Benzodiazepin-Einnahme zu machen.
Die Zustimmung und Kooperation Ihres Arztes/ Ihrer Ärztin ist notwendig, da er/sie Ihnen die Medikation verschreiben muss. Viele Ärzte sind jedoch unsicher, wie eine Benzodiazepin-Entwöhnung gestaltet werden sollte und zögern deshalb bei der Durchführung. Sie sollten jedoch versuchen, Ihren Arzt davon zu überzeugen, dass Sie vorhaben, selbst die Verantwortung für Ihr eigenes Programm zu übernehmen und dass Sie beabsichtigen, in einer für Sie und unter Berücksichtigung der Ratschläge des Arztes/der Ärztin, akzeptablen Weise vorzugehen. Es ist wichtig, dass Sie selbst die Kontrolle über Ihren Entwöhnungsprozess haben. Lassen Sie sich nicht von Ihrem Arzt eine „Deadline“ zwingend auferlegen. Lassen Sie sich selbst die Freiheit, zu „proceed as the way opens” wie die Quäker sagen.
Ein guter Vorschlag wäre, ein Dosis-Reduktions-Protokoll für die Initialphase zu entwerfen (siehe unten) und es mit Ihrem Arzt zu besprechen. Sie sollten die Notwendigkeit und Bedeutung der Flexibilität der Durchführung erwähnen, so dass die Dosisreduzierung jederzeit geändert werden kann. Es könnten auch Umstände eintreten, die es erforderlich machen, dass Sie die Dosis-Reduktion für eine Weile unterbrechen. Die Fortführung der Dosis-Reduktion kann später erfolgen, je nachdem wie Sie den Entwöhnungsprozess tolerieren und der Arzt kann Ihnen dementsprechend Medikamente verordnen. (Siehe Erläuterungen dazu weiter unten in diesem Kapitel.)
Schließlich könnte es Ihr Arzt begrüßen, einige Literatur über Benzodiazepin-Entzug wie z.B. die Veröffentlichungen, die unter Weiterführende Literatur (am Ende der Kapitel I und III und dieses Kapitels) erwähnt sind, kennen zu lernen.
(2) Vergewissern Sie sich, dass Sie adäquate psychotherapeutische Unterstützung erhalten. Unterstützung könnte von Ihrem Ehe- oder Lebenspartner, der Familie oder nahestehenden Freunden kommen. Ein verständnisvoller Arzt kann Ihnen auch Unterstützung und Rat gewähren. Im Idealfall sollte Ihr Mentor eine Person sein, die die Prinzipien des Benzodiazepin-Entzugs versteht und wenn notwendig auch bereit ist, darüber zu lesen und zu lernen. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um eine Person handeln, die selbst benzodiazepinabhängig war, diese hat möglicherweise schlechte Erfahrungen gemacht, mit denen sie Sie möglicherweise ängstigt. Häufig ist die Hilfe eines klinisch tätigen Psychologen oder anderen Therapeuten hilfreich, vor allem um Entspannungsverfahren, Atemtechniken und den Umgang mit Panikattacken etc. zu lehren. Manche Personen haben gute Erfahrungen mit alternativen Verfahren wie Aromatherapie, Akupunktur oder Yoga. Diese sind jedoch nur als eine Hilfe zur Entspannung zu betrachten. Meiner Erfahrung nach ist Hypnose nicht hilfreich bei der Entwöhnung von Langzeit-Benzodiazepin-Anwendern. Entspannungstechniken werden in Kapitel III beschrieben.
An Stelle (oder zusätzlich) zu einem teuren Therapeuten benötigen Sie eine zuverlässige Person, die bereit ist, Ihnen zu helfen und Ihnen häufig und regelmäßig gegebenenfalls auch für längere Zeit während des Entzuges und einige Monate danach zur Verfügung und zur Seite steht. Dabei können insbesondere Selbsthilfegruppen äußerst hilfreich sein. Diese werden in der Regel von Menschen organisiert, die selbst durch die Entwöhnung gegangen sind und demzufolge verstehen, dass Zeit und Geduld erforderlich sind, und sie können häufig gute Informationen über Benzodiazepine vermitteln. Es kann sehr unterstützend sein zu erkennen, dass Sie mit Ihrem Problem nicht allein sind und dass es viele andere gibt, die ähnliche Probleme haben wie Sie. Sie sollten sich jedoch davor hüten zu fürchten, dass alle negative Symptome, die von anderen beschrieben werden, auch bei Ihnen auftreten werden. Jeder ist unterschiedlich und Menschen mit einem passenden Entzugsschema und der richtigen Unterstützung bekommen überhaupt keine Nebenwirkunge und Entzugssymptome. Tatsächlich ist es vielen Patienten gelungen, sich von der Benzodiazepin-Abhängigkeit zu befreien ohne nennenswerte Hilfe von aussen in Anspruch nehmen zu müssen.
(3) Stellen Sie sich selbst mental auf die Entwöhnung ein.
Haben Sie Selbstvertrauen - Sie können es! Im Zweifel versuchen Sie sehr kleine Reduktionen der Dosis für wenige Tage (zum Beispiel versuchen Sie eine tägliche Dosis-Reduktion von etwa einem Zehntel oder einem Achtel; dazu müssen Sie unter Umständen Ihre Tabletten halbieren oder vierteln, wozu in Apotheken geeignete Tablettenteiler erhältlich sind). Auch steht Diazepam in Deutschland in Tropfenform (0,5 mg = 1 Tr.) zur Verfügung. Es könnte sein, dass Sie zunächst keinen Unterschied spüren. Wenn Sie im Zweifel sind, streben Sie zunächst eine Dosis-Reduktion an Stelle einer kompletten Entwöhnung an. Sie werden dies wahrscheinlich fortsetzen wollen, sobald Sie begonnen haben.
Haben Sie Geduld. In der Regel besteht keine Notwendigkeit, sich mit einer Entwöhnung zu beeilen. Ihr Körper (und Ihr Gehirn!) wird Zeit brauchen, sich an eine neue Benzodiazepin-Konzentration anzupassen. Viele Patienten haben ein Jahr oder mehr benötigt, um die Entwöhnung/den Entzug zu beenden. Also beeilen Sie sich nicht, und vor allem, versuchen Sie nicht, die Benzodiazepin-Einnahme abrupt zu beenden.
Wählen Sie Ihren eigenen Weg – Erwarten Sie keine „schnelle Lösung". Es besteht die Möglichkeit, in eine Klinik und/oder in ein spezielles Zentrum für „Entgiftung“ zu gehen. Dies beinhaltet in der Regel eine ziemlich rasche Entwöhnung, ist medizinisch sicher und verbunden mit psychotherapeutischer Unterstützung. Derartige Zentren mögen für eine relativ kleine Gruppe von Patienten mit besonders schwierigen psychologischen Problemen geeignet sein. Oft nehmen sie jedoch dem Patienten die eigene Kontrolle über die Situation, und Rückfälle nach der Entlassung aus der Klinik sind nicht selten, vor allem weil nicht genügend Zeit verfügbar war, alternative Lebenskonzepte zu entwickeln. Eine langsame Entwöhnung in ihrem eigenen Umfeld ermöglicht die physische und psychische Anpassungen und erlaubt es, mit dem normalen Leben weiter zu machen und den Entwöhnungsprozess dem eigenen Lebensstil anzupassen, sowie alternative Strategien für das Leben ohne Benzodiazepine zu entwickeln.
DIE ENTWÖHNUNG / DER ENTZUG
(1) Dosis-Reduktion. Es besteht kein Zweifel, dass jeder, der von einer Langzeit-Benzodiazepin-Einnahme entwöhnt werden will, die Dosierung langsam reduzieren muss. Plötzliche oder übermäßig rascher Entzug, insbesondere von hohen Dosen, kann zu schweren Entzugssymptomen (Krampfanfällen, psychotische Reaktionen, akuten Angstzuständen) führen und ist mit einem erhöhten Risiko von langanhaltenden Entzugssymptomen (s. Kapitel III) verbunden. Langsame Entwöhnung bedeutet graduelle Dosis-Reduktion üblicherweise über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Das Ziel ist ein konstanter, stetiger und langsamer Abfall der Blut- und Gewebskonzentrationen von Benzodiazepinen, so dass der Organismus und im besonderen das Gehirn in seinen Normalzustand zurückkehren können. Wie in Kapitel I erläutert, übernehmen Benzodiazepine zahlreiche Funktionen des natürlichen Tranquillizer-Systems (Beruhigungssystem) vermittelt durch den Neurotransmitter GABA. Als Folge nehmen die GABA-Rezeptoren in ihrer Anzahl ab und die Funktion von GABA ist reduziert. Ein plötzlicher Entzug von Bezodiazepinen führt zu einem Zustand der GABA-Unterfunktion mit dem Resultat einer Überregbarkeit des Nervensystems. Diese Übererregbarkeit ist die Ursache für die meisten Entzugssymptome, die im folgenden Kapitel diskutiert werden. Ein ausreichend langsames und konstantes Ausschleichen von Bezodiazepinen aus dem Körper erlaubt, dass das natürliche System die Kontrolle über seine Funktionen zurückerlangt, die durch die Gegenwart der Benzodiazepine unterdrückt wurden. Es gibt wissenschaftliche Evidenz, dass die Wiederherstellung normaler Gehirnfunktionen ein langdauernder Prozess ist. Die Erholung nach langdauernder Benzodiazepin-Einnahme ist nicht unähnlich der allmählichen Erholung des Körpers nach einer großen chirurgischen Operation. Die Heilung des Körpers oder des Geistes ist ein langsamer Prozess.
Die richtige Geschwindigkeit des Entzugs ist eine individuelle Angelegenheit. Sie hängt von zahlreichen Faktoren ab wie die Dosis und der Typ der eingenommenen Benzodiazepine, von der Dauer ihres Gebrauchs, von der Persönlichkeit, dem Lebensstil, von vorausgegangenen Erfahrungen, von spezifischen Vulnerabilitäten und von der (möglicherweise genetisch bestimmten) Geschwindigkeit des Erholungsprozesses. Im Allgemeinen kann das von Ihnen selbst am besten beurteilt werden. Sie selbst sollten die Kontrolle über den Entwöhnungsprozess haben und in der geschwindigkeit voranschreiten, die für Sie machbar ist. Sie sollten auch darauf vorbereitet sein, Versuchen von Außenstehenden (Kliniken, Ärzten) zu widerstehen, Ihren Entwöhnungsprozess zu beeinflussen (zum Beispiel Sie zu einem schnellen Entzug zu verleiten). Die klassischen sechs Wochen Entwöhnungs- / Entzugs- bzw. Entgiftungsperiode (-dauer), wie sie in vielen Kliniken und von Ärzten praktiziert wird, ist in aller Regel für viele Patienten nach langdauernder Benzodiazepin-Einnahme zu kurz. Im Grunde ist die Geschwindigkeit des Entwöhnungsprozesses, so lange sie langsam genug ist, nicht kritisch. Ob es nun 6, 12 oder 18 Monate dauert ist von geringer Bedeutung, nachdem Sie Benzodiazepine für viele Jahre genommen haben.
Es wird manchmal behauptet, dass sehr langsame Entwöhnung von Benzodiazepinen nichts anderes bewirke als eine Verlängerung der „Qual”, und es besser sei, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Die positiven Erfahrungen vieler Patienten mit langsamer Entwöhnung, insbesondere, wenn sie selbst die Geschwindigkeit bestimmen, sprechen jedoch eine andere Sprache. Tatsächlich sind viele Patienten der Meinung, dass unter diesen Bedingungen von „Qual“ nicht die Rede sein kann. Nichts desto trotz gibt es keine magische Entwöhnungsrate und jeder Mensch muss seinen eigenen ihm am besten zusagenden Weg finden. Patienten, die nur geringe Dosen von Benzodiazepinen für eine relativ kurze Zeit (weniger als ein Jahr) eingenommen haben, können die Entwöhnung meist relativ rasch vollziehen. Patienten, die jedoch hohe Dosen von sehr potenten Benzodiazepinen wie z.B. Alprazolam eingenommen haben, benötigen in aller Regel wesentlich mehr Zeit für eine erfolgreiche Entzugsbehandlung.
Beispiele von langsamer Entwöhnung finden Sie am Ende dieses Kapitels. Als grober Anhaltspunkt könnte eine Person, die 40 mg Diazepam pro Tag (oder eine äquivalente Dosis eines anderen Benzodiazepins) genommen hat, in der Lage sein, die tägliche Dosis alle 1 bis 2 Wochen um 2 mg zu reduzieren, bis zu einer Dosis von 20 mg pro Tag. Dies würde 10-20 Wochen dauern. Im weiteren Verlauf sind ab einer Dosis von 20 mg Diazepam pro Tag jedoch Reduktionen von nur 1 mg der täglichen Dosis pro 1-2 Wochen zu empfehlen. Dies würde weitere 20-40 Wochen in Anspruch nehmen, so dass die gesamte Entwöhnungszeitspanne 30-60 Wochen dauern kann. Dennoch mögen es manche Menschen vorziehen, die Dosis schneller und andere langsamer zu reduzieren. (Weitere Einzelheiten s. folgender Abschnitt).
Es ist wichtig, im Entwöhnungsprozess stets vorwärts zu gehen. Wenn Sie eine schwierige Phase erreichen, können Sie, wenn notwendig, die Dosis für einige Wochen beibehalten. Sie sollten jedoch vermeiden, rückwärts zu gehen und die Dosis wieder zu erhöhen. Manche Ärzte empfehlen den Gebrauch einer sog. „Bedarfs-Tablette“ (eine einzelne zusätzliche Dosis des Benzodiazepins) in besonders stressreichen Situationen. Dies ist wahrscheinlich keine gute Empfehlung, da es die konstante Reduktion der Benzodiazepin-Konzentrationen und auch den Lernprozess mit Situationen ohne die Einnahme des Benzodiazepins unterbricht. Dieser Lernprozess wird als ein essentieller Teil der Adaptation während des Entwöhnungsvorganges betrachtet. Wenn die Entwöhnung langsam genug erfolgt, dürften „Bedarfs-Tabletten“ nicht notwendig sein.
(2) Umstellung auf ein lang wirksames Benzodiazepin. Mit relativ kurz wirkenden Benzodiazepinen wie z.B. Alprazolam (Tafil) und Lorazepam (Tavor) (Tabelle 1, Kapitel I), ist es nicht möglich, eine gleichmäßige Abnahme der Blut- und Gewebskozentrationen zu erreichen. Diese Substanzen werden relativ rasch eliminiert mit dem Ergebnis, dass ihre Konzentrationen stark fluktuieren mit Spitzen und Tälern zwischen jeder Dosis. Es ist dann notwendig, Tabletten mehrere Male pro Tag zu nehmen und die meisten Patienten erleben dann jedes Mal eine Art „Mini-Entzug“, nicht selten mit einem starken Verlangen nach der nächsten Tabletteneinnahme.
Aus diesem Grund wird Patienten, die von derartig potenten und kurz wirksamen Benzodiazepinen entwöhnt werden sollen, geraten, auf ein lang wirksames und langsam metabolisiertes Benzodiazepin wie Diazepam umzusteigen. Diazepam (Valium, Faustan) ist eines der am langsamsten eliminierten Benzodiazepine. Es hat eine Halbwertszeit von bis zu 200 Stunden, was bedeutet, dass die Blutkonzentration nach jeder Dosis nur auf die Hälfte innerhalb von etwa 8 Tagen fällt. Die einzigen anderen Benzodiazepine mit ähnlicher langer Halbwertszeit sind Chlordiazepoxid (Librium), Flunitrazepam (Rohypnol) and Flurazepam. All diese Substanzen werden im Körper zu Diazepam-Metaboliten umgewandelt und demzufolge nur langsam eliminiert. Diese langsame Elimination von Diazepam erlaubt einen gleichmäßigen Abfall in der Blutkonzentration, was es dem Körper/dem Gehirn möglich macht, sich an die abfallenden Benzodiazepin-Konzentrationen zu gewöhnen. Dieser „Umstellungs”-Prozess muss ebenfalls langsam und schrittweise und mit der Substitution einzelner Dosen erfolgen. Dabei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Einer ist die unterschiedliche Wirkpotenz der verschiedenen Benzodiazepinen. Viele Patienten haben darunter gelitten, dass der Übergang von einer auf die andere Substanz zu plötzlich und mit einer inadäquaten, nicht äquivalenten Dosis erfolgte. Äquivalente Wirkpotenzen von Benzodiazepinen sind aus Tabelle 1 (Kapitel I) zu ersehen. Diese sind jedoch nur als Richtwerte zu betrachten, und es ist zu berücksichtigen, dass sie individuellen Schwankungen unterliegen.
Ein weiterer Faktor der bedacht werden muss ist, dass die verschiedenen Benzodiazepine, obgleich im Wesentlichen ähnlich, dennoch unterschiedliche Wirkungsprofile haben. So hat z.B. Lorazepam (Tavor) eine geringer sedierende Wirkung als Diazepam (wahrscheinlich wegen seiner kürzeren Wirkdauer). Das heißt, wenn z.B. jemand mit 2mg Tavor 3 x am Tag direkt auf 60mg Diazepam (der Äquivalent-Dosis für Angstzustände) umgestellt wird, so ist es höchstwahrscheinlich, dass er/sie extrem schläfrig wird. Würde er/sie jedoch plötzlich auf eine wesentlich niedrigere Dosis von Diazepam umgestellt, so würde er/sie höchstwahrscheinlich erhebliche Entzugssymptome entwickeln. Demzufolge sollte die Umstellung pro einzelner Dosis (oder Teil der Dosis) erfolgen, um diese Probleme zu vermeiden. Dies kann auch hilfreich sein, die individuelle Äquivalent-Dosis zu finden. Es ist außerdem sinnvoll, die erste Substitution mit der Nachtdosis zu beginnen und die Substitution muss nicht immer komplett sein. Wenn z.B. die Abenddosis 2 mg Tavor betrug, so ist es denkbar, dass zunächst nur die Hälfe, also 1 mg Tavor mit 8 mg Diazepam, ersetzt wird. Die volle Substitution für das weggelassene 1 mg von Tavor wäre eigentlich 10 mg Diazepam gewesen. Der Patient wird jedoch höchstwahrscheinlich in dieser Kombination gut schlafen und bereits eine kleine Dosis-Reduktion erzielt haben – der erste Schritt zum erfolgreichen Entzug. (Beispiele von schrittweiser Substitution finden Sie am Ende dieses Kapitels.)
Ein dritter wichtiger praktischer Faktor ist die Verfügbarkeit der Darreichungsformen der verschiedenen Benzodiazepine, die eine entsprechende Dosisreduktion erlauben. Für den Entwöhnungsprozess benötigen Sie ein lang wirkendes Benzodiazepin, das in sehr kleinen Schritten reduziert werden kann. Diazepam ist das einzige Benzodiazepin, das dafür wirklich in Frage kommt, da es sowohl in teilbaren 2 und 5 mg-Tabletten als auch in Tropfenform (1 Tropfen = 0,5 mg) verfügbar ist. Im Gegensatz dazu ist die kleinst verfügbare Tablette von Tavor 0,5 mg (Äquivalent zu 5 mg Diazepam). Dies macht Tavor (neben seiner kürzeren Wirkdauer) ungeeignet für die Entwöhnung. Ähnliches gilt, allerdings in noch höherem Maße, für das hochpotente Alprazolam. Hier sind 0,25 mg äquivalent zu 5 mg Diazepam. Beim Teilen dieser Tabletten ist dennoch der kleinste erreichbare Reduktionsschritt entsprechend einer Diazepam-Äquivalenzdosis von 2,5mg. (Einige Patienten werden sehr geschickt im Zerkleinern ihrer Tabletten.)
Für einige Patienten ist jedoch die Umstellung von hochpotenten und relativ kurz wirksamen Benzodiazepinen auf Diazepam schwierig zu realisieren. In diesen Fällen ist es möglich, spezielle Kapseln herstellen zu lassen, die entsprechend geringe Dosen enthalten, wie z.B. 1/8, 1/16 eines Milligramms oder weniger. Diese Kapseln erfordern ärztliche Verschreibung und sie können ggf. von Krankenhausapothekern hergestellt werden (in den USA und Kanada können hierfür qualifizierte Apotheker über die web-Seite: www.iacprx.org gefunden werden). Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die entsprechende Apotheke genau darauf achtet, dieselben „Verdünnungen“ zu verwenden, und somit exakt dieselbe Dosis garantieren kann.
(3) Entwurf und Einhalten eines Entwöhnungsschemas. Einige Beispiele für Entwöhnungsprozeduren (Schemata) werden auf späteren Seiten beschrieben. Die meisten von ihnen sind tatsächliche verwendet worden und kamen bei Patienten zur Anwendung, die den Entzug erfolgreich beenden konnten. Wie schon mehrfach erwähnt, sollten diese Schemata jedoch den individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Im Folgenden sind die Punkte zusammengefasst, die bei der Aufstellung des eigenen Entwöhnungsschemas berücksichtigt werden sollten.
Entwurf des Schemas unter Berücksichtigung Ihrer eigenen Symptome. Ist z.B. Schlaflosigkeit ein größeres Problem, sollten Sie die größte Dosis vor dem Zubettgehen nehmen. Sollten Sie Schwierigkeiten haben, am Morgen in Gang zu kommen, so sollten Sie morgens als erstes Ihre Benzodiazepin-Dosis einnehmen (jedoch nur in einer Dosis, die Sie nicht schläfrig macht oder Sie am Führen eines Fahrzeuges hindert!).
Die Umstellung auf Diazepam sollte dann, wenn Sie Ihr Benzodiazepin mehrmals am Tag einnehmen, zunächst mit der Substitution nur einer Dosis in der Regel mit der Abend- oder Nachtdosis beginnen. Erst dann sollten schrittweise die anderen Dosen ersetzt werden. Wenn Sie nicht bei sehr hohen Dosen beginnen, so besteht zu diesem Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit, bereits eine Dosis-Reduktion erzielen zu wollen. Es sollten vielmehr die Äquivalenzdosen und ihre Intervalle so gewählt werden, dass eine möglichst Entzugssymptom-freie Umstellung auf Diazepam möglich ist. Erst nachdem dies erfolgt ist, kann mit der langsamen Dosis-Reduktion des Diazepam begonnen werden
Wenn Sie jedoch von einer sehr hohen Dosis, wie z.B. 6 mg Alprazolam pro Tag (äquivalent zu 120 mg Diazepam) entwöhnt werden wollen, so ist es erforderlich, bereits während des Umstellungsprozesses eine Dosis-Reduktion durchzuführen (siehe Schema 1). Das Ziel ist dann, diejenige Diazepam-Dosis zu finden, die die Entzugssymptome ausreichend verhindert, jedoch nicht so viel ist, so dass Sie davon stark sediert werden.
Diazepam wird sehr langsam eliminiert und es ist deswegen ausreichend es zweimal pro Tag einzunehmen, um gleichmäßige Blut- und Gewebskonzentrationen zu erzielen. Falls Sie bisher Benzodiazepine drei oder viermal pro Tag eingenommen haben, so ist zu empfehlen, diese Dosierung des Diazepam auf zweimal pro Tag einzustellen. Je weniger häufig Sie Tabletten (oder Tropfen) einnehmen, desto weniger werden Ihre Gedanken um Ihre Medikation kreisen.
Je größer Ihre Initialdosis ist, desto größer kann auch jeder einzelne Reduktionsschritt sein. Sie können eine Reduktion um bis zu 1/10 der jeweiligen Ausgangsdosis anstreben. Wenn Sie z.B. 40 mg Diazepam als Äquivalent nehmen, reduzieren Sie zuerst 2-4 mg pro 1-2 Wochen. Wenn Sie jedoch 20 mg pro Tag erreicht haben, reduzieren Sie nur noch 1-2 mg pro 1-2 Wochen. Wenn Sie 10 mg erreicht haben, reduzieren Sie um 1 mg und schließlich von 5 mg um 0,5 mg alle 1-2 Wochen.
Es besteht keine Notwendigkeit, Ihr Entwöhnungsschema sofort von Anfang bis zum Ende festzulegen. In der Regel ist es vernünftig, zunächst die ersten Wochen zu planen, dann den Prozess zu überprüfen und entsprechend Ihren Bedürfnissen und dem Fortschritt anzupassen. Bereiten Sie Ihren Arzt darauf vor, flexibel zu sein, Ihr Schema entweder zu verlängern oder zu kürzen, entsprechend Ihren Bedürfnissen.
Wenn irgend möglich, gehen Sie niemals zurück! Sie können die Dosis in einer bestimmten Phase einfrieren und für einige Wochen einen „Urlaub“ vom weiteren Entzug nehmen, sollten die Umstände dies erfordern (wie z.B. im Falle einer Familienkrise). Vermeiden Sie jedoch, wenn irgend möglich, die Dosis wieder zu erhöhen.
Vermeiden Sie vor allem auch zusätzliche Tabletten/Tropfen in Phasen von Stress. Lernen Sie, die Kontrolle über Ihre Symptome zu behalten. Dies wird Ihnen zusätzliche Gewissheit vermitteln, dass Sie in der Lage sind, auch ohne Benzodiazepine Schwierigkeiten zu beherrschen (siehe Kapitel III, Entzugssymptome).
Vermeiden Sie, Benzodiazepine mit mehr Alkohol oder anderen Drogen, wie z.B. Cannabis zu kompensieren. Unter Umständen wird Ihr Arzt empfehlen, andere Medikamente für bestimmte Symptome (siehe Kapitel III, Entzugssymptome) einzunehmen, verwenden Sie jedoch auf keinen Fall Schlaftabletten wie z.B. Zolpidem, Zopiclon oder Ximovan, da diese dieselbe Wirkungsweise wie Benzodiazepine haben.
Entwöhnung von der letzten Tablette: Die Entwöhnung von den letzten Milligramm wird häufig als besonders schwierig betrachtet. Das ist vor allem die Folge der Angst davor, wie man ohne jedwede Medikation zurecht kommt. Tatsache ist, dass der letzte Schritt oft überraschend leicht fällt. Die Patienten sind häufig erfreut und erleichtert von dem neuen Gefühl der gewonnenen Freiheit. Das eine oder halbe mg Diazepam, das Sie pro Tag am Ende Ihres Entwöhnungsprozesses noch einnehmen, hat nur einen minimalen Effekt, abgesehen davon, dass es die Abhängigkeit unterhält. Erliegen Sie nicht der Versuchung, den Entwöhnungsprozess endlos in die Länge zu ziehen (wie z.B. eine Dosis-Reduktion von 0,25 mg pro Monat). Ergreifen Sie die Chance, wenn Sie 0,5 mg pro Tag erreicht haben. Die vollständige Wiederherstellung nach der Benzodiazepin-Abhängigkeit kann erst beginnen, nachdem die Tabletten-/Tropfeneinnahme endgültig beendet ist. Manche Patienten neigen dazu, nach dem Ende der Entwöhnung immer noch einige Tabletten „für alle Fälle“ mit sich herumzutragen. Es hat sich gezeigt, dass Sie diese nur äußerst selten benötigt haben.
Stellen Sie sich mit der Befolgung Ihres Entwöhnungsschemas nicht unter Zwang. Lassen Sie es zu, dass der Entwöhnungsprozess ein Bestandteil Ihres normalen Lebens für Monate oder wenn es sein muss auch länger sein wird. Sie tun nichts anderes, als sich von einer Medikamentenabhängigkeit zu befreien, so wie viele andere auch. „Das ist keine große Sache”.
Falls Sie mit Ihrem ersten Versuch der Entwöhnung von Benzodiazepin nicht erfolgreich sind (oder waren), so können Sie jederzeit einen neuen Versuch unternehmen. Man sagt, dass die meisten Raucher 7 oder 8 Versuche unternehmen, bevor sie schließlich ihren Zigarettenkonsum beenden. Die gute Nachricht ist, dass die meisten Patienten nach Langzeit-Benzodiazepin-Einnahme ihren ersten Entwöhnungsversuch mit Erfolg beenden. Diejenigen, die einen zweiten Versuch benötigen, haben meistens beim ersten Anlauf die Entwöhnung zu rasch betrieben. Ein langsamer und gleichmäßiger Benzodiazepin-Entzug unter Ihrer eigenen Kontrolle ist fast immer mit Erfolg verbunden.
(4) Entwöhnung bei älteren Menschen. Ältere Menschen können ebenso erfolgreich von Benzodiazepinen entwöhnt werden, wie jüngere, selbst wenn sie die Medikamente viele Jahre eingenommen haben. Eine Untersuchung an 273 älteren Patienten, die nach lang andauernder (im Mittel 15 Jahre) Einnahme von Benzodiaziepinen von Allgemeinärzten entwöhnt wurden, zeigte, dass freiwillige Dosis-Reduktion und völlige Entwöhnung von Benzodiazepinen verbunden waren mit Verbesserung der Schlafqualität, Verbesserung des psychologischen und physischen Gesundheitszustandes sowie mit geringerer Anzahl von Arztkonsultationen. Diese Ergebnisse wurden in mehreren anderen Studien an älteren Patienten bestätigt.
Es gibt mehrere zwingende Gründe, weswegen ältere Menschen von Benzodiazepinen entwöhnt werden sollten, weil nämlich mit fortschreitendem Alter die Unfallwahrscheinlichkeit und die Wahrscheinlichkeit für Frakturen zunehmen, ebenso sowie Verwirrtheit, Gedächtnisverlust und andere psychiatrische Probleme (siehe Kapitel 1).
Die Methoden der Benzodiazepin-Entwöhnung bei älteren Menschen sind ähnlich wie die, die für jüngere Patienten empfohlen werden. Ein langsamer Entwöhnungs-(Therapie)plan wird meiner Erfahrung nach gut toleriert, selbst bei Patienten über 80 Jahre, die Benzodiazepine für mehr als 20 Jahre eingenommen haben. Das Entwöhnungsschema kann auf Flüssigpräparationen basieren mit exakten schrittweisen Substitutionen durch Diazepam. Es ist jedoch mit einem größeren Maß von individuellen Variationen zu rechnen, insbesondere da der „Alterungsprozess“ bei einzelnen Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit Lebensalter beginnt. Orientierend könnte ein Alter von 65-70 Jahren zur Definition dienen.
(5) Antidepressiva. Vielen Patienten, die unter Langzeit-Benzodiazepin-Anwendung stehen, wurden auch Antidepressiva verschrieben, weil sie Depressionen entwickelten, entweder während der chronischen Benzodiazepin-Einnahme oder während der Entwöhnung. Antidepressiva sollten ebenfalls langsam reduziert werden, da sie auch zu Entwöhnungsreaktionen führen können (euphemistisch von Psychiatern als „Absetzphänomene“ bezeichnet). Wenn Sie neben dem Benzodiazepin auch ein Antidepressivum einnehmen, kann auch dass Antidepressivum sollten Sie zuerst den Bezodiazepin-Entzug beenden, bevor sie mit dem Reduzieren des Antidepressivums beginnen. Eine Liste von Antidepressiva mit Empfehlungen, wie diese zu reduzieren sind, ist in dem Schema 13 dieses Kapitels wiedergegeben. Einige Entwöhnungssymptome von Antidepressiva („Absetzphänomene“) werden in Kapitel III (Tabelle 2) besprochen.
Diese Zusammenfassung ist für diejenigen Patienten gedacht, die beabsichtigen, ihre Benzodiazepin-Entwöhnung (im deutschen Schrifttum auch als Entgiftung bezeichnet) selbst durchzuführen – wahrscheinlich der größte Teil der Leser. Diejenigen, die dabei entlastet werden möchten, können auf die Hilfe und Kenntnisse eines verständnisvollen Arztes zurückgreifen. In meiner Entwöhnungsklinik habe ich in der Regel ein Entwöhnungsschema entworfen, das ich mit den einzelnen Patienten erörtert habe. Die meisten Patienten waren sehr an ihrem speziellen Entwöhnungsschema interessiert und schlugen von Zeit zu Zeit sinnvolle Änderungen vor. Andererseits gab es Patienten, die es vorzogen, nicht über die Details der Entwöhnung zu viel nachzudenken, sondern diese konsequent bis zum Ende zu befolgen. Diese Patientengruppe war gleichermaßen erfolgreich. Einige wenige (ca. 20 von 300) wollten nichts über das Entwöhnungsschema wissen. Sie folgten aber den Instruktionen. Einige davon nahmen sogar an klinischen kontrollierten Untersuchungen teil. Diese Gruppe erhielt (mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung oder auf ihren ausdrücklichen Wunsch) Plazebotabletten, die schrittweise Benzodiazepine ersetzten. Diese Methode war ebenfalls erfolgreich und am Ende des Prozesses waren die Patienten höchst erstaunt und erfreut, als sie entdeckten, dass sie von Benzodiazepinen frei waren und die letzten 4 Wochen nur noch Plazebotabletten genommen hatten.
Weiterführende Literatur
- Ashton, H. (1994) The treatment of benzodiazepine dependence. Addiction 89;1535-1541.
- Trickett, S. (1998) Coming off Tranquillisers, Sleeping Pills and Antidepressants. Thorsons, London.
Eine Reihe von Entwöhnungsschemata von verschiedenen Benzodiazepinen werden im folgenden Teil dieses Kapitels vorgestellt. Diese Schemata sind in der klinischen Praxis zur Anwendung gekommen. Sie bedürfen jedoch, wie bereits erwähnt, der Anpassung an jeweilige individuelle Bedürfnisse. Die Angaben in Tabelle 1, Kapitel I, in der die äquivalente Wirkungsstärke verschiedener Benzodiazepine aufgeführt ist, soll Sie in die Lage versetzen, Ihre eigene Vorgehensweise zu entwickeln und auch ein entsprechendes Schema für diejenigen Benzodiazepine, die nicht separat aufgeführt sind, daraus abzuleiten.
Meiner Erfahrung nach ist die einzige Ausnahme von der generellen Regel der langsamen Reduktion Triazolam (Halcion). Dieses Benzodiazepin wird vom Körper so rasch eliminiert (Halbwertzeit 2 Stunden), dass Sie nach abendlicher Einnahme praktisch an jedem Folgetag davon entzogen werden. Daher kann Triazolam sofort ohne Substitution durch ein lang wirkendes Benzodiazepin abgesetzt werden. Falls dennoch Entzugssymptome auftreten, so kann für eine kurze Phase Diazepam mit einer Anfangsdosis von 10 mg mit nachfolgendem Ausschleichen, wie in Schema 2 beschrieben, durchgeführt werden. Das gleiche gilt für die Nicht-Benzodiazepin-Schlafmittel Zolpidem und Zaleplon, beide ebenfalls mit Halbwertszeiten von nur 2 Stunden.
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